Europa vor der Wahl

Die Europawahl im Mai 2019 ist ein Wegweiser für die Zukunft der europäischen Gemeinschaft: Der Urnengang findet wenige Wochen nach dem geplanten Brexit statt, denn der Stichtag für den Austritt Großbritanniens aus der Staatengemeinschaft ist Ende März 2019. Vor dem Hintergrund dieser und vieler weiterer aktueller Herausforderungen liegt es an den Bürgerinnen und Bürgern, die künftige politische Richtung der europäischen Volksvertretung vorzugeben.

Über die genauen Modalitäten der Wahl entscheiden die einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Doch es gibt auf europäischer Ebene einige Grundsätze, welche nun reformiert werden. Der Einigung gingen zweieinhalb Jahre zähen Ringens voraus.

Bereits 2015 hatte das EU-Parlament einen weitreichenden Vorschlag auf den Tisch gelegt. Dieser sah zahlreiche Maßnahmen vor, um die europäischen Wahlen attraktiver und transparenter zu gestalten und die europäische Dimension der Wahlen zu stärken. Doch der Ministerrat, dessen einstimmiges Votum für die Reformen erforderlich ist, stand lange auf der Bremse.

Reformen sind Minimalkonsens

Anfang Juni konnten sich die Vertreter der EU-Staaten im Ministerrat schließlich auf einen Minimalkonsens einigen. Dieser bleibt weit hinter den Vorstellungen des EU-Parlaments zurück. So liegt es beispielsweise weiterhin im Ermessen der Mitgliedstaaten, ob neben den Namen der nationalen Parteien auch die europäischen Parteienfamilien auf den Wahlzetteln erscheinen.

„Die Vorschläge des Parlaments wurden teilweise verwässert“, kommentiert Arndt Kohn, SPD-Abgeordneter aus Stolberg. „Unter anderem halte ich die Frist von drei Wochen vor dem Wahltermin für die Aufstellung der Kandidaten für zu knapp bemessen, denn in einer so kurzen Zeit ist ein seriöser Wahlkampf kaum möglich.“

Fortschritte bei demokratischer Teilhabe

Nichtsdestotrotz sei es gut, dass der Ministerrat sich nun geeinigt habe, so Kohn weiter, denn es ist das erste Mal überhaupt, dass die 1976 aufgestellten Grundsätze für die Europawahlen verbessert werden. Das Reformpaket enthält Maßnahmen zur Verhinderung der mehrfachen Stimmabgabe. Des Weiteren sollen die Mitgliedstaaten auch den Menschen die Teilnahme an der Europawahl ermöglichen, die außerhalb der EU leben. Das bedeutet zum Beispiel für die rund 1,4 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger in der Schweiz mehr demokratische Teilhabe. Darüber hinaus sollen Verfahren wie Briefwahl, vorzeitige Stimmabgabe und e-Voting den Zugang zur Wahl erleichtern.

Arndt Kohn: „Ich plädiere dafür, dass das EU-Parlament dem Beschluss des Ministerrats nun zügig zustimmt, damit die Neuerungen schon nächstes Jahr zum Tragen kommen. Die anstehende Europawahl ist eine Richtungsentscheidung: Alle Befürworterinnen und Befürworter eines vereinten Europas müssen sich den spalterischen Botschaften der Populisten und Hetzer entgegenstellen. Es liegt an den Bürgerinnen und Bürgern, über die politische Zusammensetzung des EU-Parlaments und damit über den künftigen Kurs Europas zu entscheiden.“

Deutschland muss Prozenthürde einführen

Eine weitere Veränderung durch das Reformpaket ist die Einführung einer europaweiten Prozenthürde. In fast allen Mitgliedstaaten finden solche Mindestschwellen für das Erringen eines Europamandats bereits Anwendung, allerdings nicht in Deutschland. In Zukunft soll eine Sperrklausel von zwei bis fünf Prozent verpflichtend sein für alle EU-Staaten, die mit mehr als 35 Sitzen vertreten sind. Betroffen von dieser Änderung sind nur Spanien und Deutschland.

Parteien mit einem niedrigen einstelligen Wahlergebnis sind zurzeit mit sieben der insgesamt 96 deutschen Sitze im Europäischen Parlament vertreten. Dazu zählen mit jeweils einem Sitz die Piratenpartei, „Die Partei“ des Satirikers Martin Sonneborn sowie die NPD. Die neue Regelung sieht vor, dass die Sperrklausel spätestens 2024 in Kraft tritt. Ob sie bereits bei der Wahl im nächsten Jahr Anwendung findet, hängt davon ab, wann und in welcher Ausgestaltung der deutsche Bundestag die EU-Reform umsetzt.

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