Mehrwertsteuer vereinfachen und Betrug bekämpfen

Diese Woche stimmt das Europäische Parlament bei der Plenarsitzung in Straßburg über weitreichende Reformen des Mehrwertsteuersystems ab. Aus einer kürzlich veröffentlichten Studie der Kommission geht hervor, dass die EU-Mitgliedstaaten allein 2016 Verluste in Höhe von 150 Milliarden Euro durch nicht erhobene Mehrwertsteuer gemacht haben. Davon gingen 50 Milliarden Euro durch Mehrwertsteuerbetrug verloren.

Das Maßnahmenpaket, das die Kommission im Herbst 2017 vorgestellt hat, soll dem nun entgegenwirken. In Zukunft soll unter anderem die Mehrwertsteuer auch auf grenzüberschreitenden Handel zwischen Unternehmen erhoben und Verfahren vereinfacht werden.

Milliardenverluste durch ‚Karussell-Betrug‘

Denn zurzeit nutzen internationale kriminelle Netzwerke die Mehrwertsteuerbefreiung aus, indem sie in einem Land Güter kaufen, ohne Mehrwertsteuer zu bezahlen, und sie in einem anderen Land mit Mehrwertsteuer wieder verkaufen. Die Kriminellen tauchen ab, bevor sie die Steuer an den Staat abgegeben haben. Da sich diese Praxis wieder und wieder über mehrere Länder mit denselben Gütern wiederholen kann, spricht man auch von ‚Karussell-Betrug‘.

„Die Kommission schätzt, dass der Mehrwertsteuerbetrug durch die neuen Maßnahmen um 80 Prozent verringert werden kann“, so Arndt Kohn, EU-Abgeordneter aus Stolberg. „So würden viele Milliarden Euro wieder in die Staatskassen und in den EU-Haushalt fließen, die sonst in den Schwarzmarkt oder die Finanzierung krimineller Aktivitäten fließen würden. Es ist höchste Zeit, dass Europa diesen kriminellen Banden einen Riegel vorschiebt.“

Kohn: „Reformen längst überfällig“

Um die Erhebung der Mehrwertsteuer auf den grenzüberschreitenden Handel zu erleichtern, soll eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet werden, bei der Unternehmen in einem einzigen Online-Portal in ihrer eigenen Sprache und nach den gleichen Regeln wie in ihrem Heimatland Erklärungen und Zahlungen durchführen können. Außerdem schafft die Einführung des ‚Bestimmungslandprinzips‘ Klarheit bei den geltenden Steuersätzen, denn es soll in Zukunft immer der Steuersatz des Landes gelten, wo der Endverbraucher sitzt.

„Das gegenwärtige Mehrwertsteuersystem, das noch auf 1993 zurückgeht, war ursprünglich als Übergangsregelung gedacht und ist viel zu fragmentiert. Die Reformen sind daher längst überfällig“, bemängelt Arndt Kohn. „Wir Sozialdemokrat*innen unterstützen die Reformvorschläge weitgehend und fordern, dass die Änderungen keinen zusätzlichen Verwaltungsaufwand schaffen, der vor allem zu Lasten kleinerer Unternehmen entstehen könnte.“

Das Europäische Parlament hat bei Steuerfragen nur eine konsultative Rolle und daher liegt die letzte Entscheidung beim Rat, wo die Gesetzesänderungen einstimmig angenommen werden müssen. Die europäischen Sozialdemokrat*innen fordern eine stärkere Rolle des Europäischen Parlaments und eine Abschaffung der Einstimmigkeit im Rat bei Steuerthemen.

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